Laut Verbraucherzentrale heißt es, dass statistisch gesehen jeder Vierte vorzeitig aus dem Arbeitsleben aufgrund von Erwerbsminderung ausscheidet. Hinzu kommt, dass nach einem kürzlich veröffentlichten Bericht des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) das Durchschnittsalter bei Eintritt des Versicherungsfalls 47 Jahre beträgt.
Anlässlich dieser Zahlen widmen wir uns heute folgenden Fragen: Bekomme ich im Fall der Fälle Hilfe vom Staat? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe? Wie kann ich mich vor den finanziellen Folgen schützen und was muss ich eigentlich beachten?
Der Staat und die Erwerbsminderungsrente
Scheidet ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt oder aufgrund eines Unfalls aus dem Arbeitsleben aus, kann er staatliche Leistungen – die Erwerbsminderungsrente – bei der deutschen Rentenversicherung beantragen. Ob und in welcher Höhe diese tatsächlich gewährt wird, hängt neben der Erfüllung der Wartezeit auch von der individuellen Prüfung ab.
Die Deutsche Rentenversicherung prüft zum einen das Ausmaß der tatsächlichen Minderung der Arbeitskraft. Wer aus gesundheitlichen Gründen auf unbestimmte Zeit weniger als 6 Stunden täglich, aber mindestens 3 Stunden beruflich tätig sein kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert. Bei weniger als 3 Stunden täglich spricht man von der vollen Erwerbsminderung.
Zum anderen wird der Gesundheitszustand genauestens geprüft. Dies geschieht in der Regel auf Grundlage der ärztlichen Unterlagen, teilweise werden weitere Gutachten angefordert.
So heißt es bei der Deutschen Rentenversicherung: „(…) Die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung sind erfüllt, wenn Sie wegen Krankheit oder Behinderung weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können, und zwar nicht nur in Ihrem, sondern in allen Berufen. (…)“ (Quelle: deutsche-rentenversicherung.de)
Und genau dort liegt die Krux der Erwerbsminderungsrente. Ein Beispiel: Ein Handwerker kann aufgrund eines Rückenleidens nicht mehr seiner Tätigkeit im Bau nachgehen. Gleichwohl ist es ihm möglich eine Arbeit im Büro zu verrichten – egal, ob er dies gelernt hat oder sogar schlechter bezahlt wird. Diese Verweisbarkeit (abstrakte Verweisbarkeit) der Erwerbsminderungsrente ist der Grund, weshalb in den meisten Fällen die finanzielle Hilfe durch die Deutsche Rentenversicherung versagt bleibt.
Erwerbsminderungsrente unzureichend
Wenn der Antrag jedoch erfolgreich angenommen wird, ist die finanzielle Unterstützung nicht ausreichend, um den aufgebauten Lebensstandard weiterhin aufrechtzuerhalten.
Rechenbeispiel (Angaben sind lediglich Richtwerte):
Arbeitnehmer, 30 Jahre, Steuerklasse 3, ein Kind
Monatliches Bruttoeinkommen: 2500 Euro
Monatliches Nettoeinkommen: 1900 Euro
Volle Erwerbsminderungsrente: 850 Euro
Lücke zum Nettoeinkommen: 1050 Euro
Halbe Erwerbsminderungsrente: 425 Euro
Lücke zum Nettoeinkommen: 1475 Euro
Diese Rechnung verdeutlicht, was für eine große Versorgungslücke entstehen kann – auch unter Anrechnung der Erwerbsminderungsrente.
Hilfe durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann dabei helfen, diese Lücke zu schließen. Doch auch wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung hat, sollte diese nochmal überprüfen. Oft reicht die versicherte Monatsrente nicht aus, um die finanziellen Einbußen auszugleichen. Aber nicht nur auf die versicherte Monatsrente ist zu achten – oft liegt der Teufel im Kleingedruckten.
Klauseln über Klauseln
Der wichtigste Unterschied der Berufsunfähigkeitsversicherung im Vergleich zur Erwerbsminderungsrente der Deutschen Rentenversicherung ist die Verweisbarkeit. Im Fall der Berufsunfähigkeitsversicherung gilt in der Regel der zuletzt ausgeübte Beruf. Sind Sie z.B. Bäcker und können diesen Beruf krankheitsbedingt nicht mehr ausüben, greift die Berufsunfähigkeitsversicherung (konkrete Verweisbarkeit). Allerdings gibt es auch Tarife am Markt, die die abstrakte Verweisbarkeit in den Bedingungen verankert haben.
Aber auch auf andere Klauseln ist zu achten. Die Nachversicherungsgarantie bspw. sollte in jeder Police dabei sein. Diese besagt, dass bei bestimmten Lebensereignissen (z.B. Heirat, Geburt eines Kindes) die Erhöhung der versicherten Monatsrente ohne erneute Gesundheitsprüfung möglich ist.
Zusammenfassung
Alles in allem lässt sich sagen, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung eine der wichtigsten Versicherungen überhaupt ist. Die Entwicklung zeigt, dass immer mehr Berufstätige erwerbsgemindert aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Wer sich in jungen Jahren für eine Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidet, kann einiges am monatlichen Beitrag sparen. Doch auch Vorsicht ist geboten – die Bedingungen und Klauseln gleichen einem Stolperdraht. Dieser kann jedoch mit einer guten, ausführlichen Beratung umgangen werden.
07.03.2017
Quellen:
https://www.verbraucherzentrale.de/Berufsunfaehigkeit-verkannte-Gefahr
http://www.gdv.de/2017/03/berufsunfaehigkeit-trifft-versicherte-mit-47-jahren/
http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/2_Rente_Reha/01_Rente/01_allgemeines/03_rentenarten_und_leistungen/08_erwerbsminderungsrente_node.html#doc189700bodyText3